Unser ganzheitliches Systemtherapeutisches Selbstverständnis

 

Neben der alltäglichen pädagogischen Arbeit kommen vorrangig Systemische Therapie und Familienarbeit zum Einsatz.

 

Die Systemtherapeutische Arbeit am Herkunftssystem erleichtert und verbessert die erfolgreiche Arbeit an dem Kind. Da die Kinder in erster Linie immer ihrem Ursprungssystem gegenüber loyal und treu sind, ist es das Ziel, dass die Familien der Maßnahme zustimmen und unterstützend miterziehen.

Zum Herkunftssystem gehören nicht nur die Eltern und Geschwister, sondern auch Großeltern, Urgroßeltern, Tanten und Onkel, Cousinen und Cousins und ggf. neue Lebenspartner, jeweils mütterlicher- und väterlicherseits.

 

Angestrebt wird ein regelmäßiger Kontakt zur Herkunftsfamilie durch gegenseitige Besuche, Telefongespräche und brieflichen Austausch mit folgenden Zielen:

  • Wiederherstellung des Verttrauensverhältnisses zwischen Eltern und Kind
  • Entlastung von Schuldgefühlen
  • Stärkung des Selbstwertgefühls
  • Mitwirkung am Erziehungsauftrag

 

Die Art und Intensität unserer Elternarbeit ist abhängig vom Einzelfall und wird
nach eigenem Tempo des Herkunftssystems und deren Bedürfnissen und Möglichkeiten gestaltet.

 

Kontinuierlich wenden wir zahlreiche Systemtherapeutische Methoden an, gerne auch einige davon während den begleiteten Systemtherapeutischen Freizeiten (Ski-, Wanderfreizeit) und Aktivitäten (Schwimmen, Wanderungen, Events wie Musicals, Heimatfest, Weihnachtsmarkt, Kirmes, Begleitung zu [Voltigier-] Turnieren etc.) mit den Eltern, Großeltern, Verwandten und deren mit deren Kindern. 

 

 

Bei uns werden sowohl systemisch-diagnostische als auch erkennende-intervenierende Methoden eingesetzt.

Zu den systemisch-diagnostischen Verfahren gehören die Durchführung biografischer Interviews und die Erkundung der Herkunftsgeschichte.

 

Die Genogrammarbeit, eine zeichnerische Darstellung des Familiensystems, stellt
übersichtlich komplexe Informationen zur Herkunftsgeschichte und zur persönlichen Identität dar. Der Klient kann so Familiengeschichten und Traditionen nachvollziehbar ableiten, bestehende Regeln und Muster erkennen und persönliche Ressourcen (wieder)entdecken. Das führt dazu, dass die eigene Lebensgeschichte oder die Geschichte naher Zugehöriger besser verstanden werden. Durch die Erarbeitung dieser neuen Informationen lassen sich gewünschte Veränderungen leichter integrieren.

 

 

Im Folgenden werden die erkennenden/intervenierenden Verfahren aufgelistet.

Die Methode der Skulptur Arbeit/Familienskulptur wurde von Virginia Satir

(* 26. Juni 1916, Neillsville, Wisconsin; 10. September 1988, Kalifornien) in den 1970er-Jahren entwickelt und findet im Bereich der Familientherapie, zur erlebenden Darstellung und therapeutischen Arbeit an Familienbeziehungen Anwendung. Die Methode eignet sich zur Arbeit mit Einzelpersonen.

 

Die Methode der Familienaufstellung/Systemischen Strukturaufstellung wurde von Bert Hellinger (*16.12.1925) weiter ausgebaut. Bei diesem Verfahren werden stellvertretende Personen für Familienmitglieder eines Klienten gewählt und konstellativ angeordnet (gestellt). Aus dieser in Beziehung gesetzten Wahrnehmungsposition werden gewisse Muster innerhalb jenes Familien-Systems erkennbar, welche je nach Ausprägung funktional bis dysfunktional sein können.

 

Auf dem Familienbrett werden analog zum Familienstellen auf einem Holzbrett mittels Figuren Familienmitgliedern ermöglicht, Nähe und Distanz symbolisch darzustellen. Es ist sozusagen eine Familienaufstellung bzw. Systemische Strukturaufstellung „auf dem Tisch". Mit dem Familienbrett können Probleme oder Konflikte dargestellt, sichtbar gemacht und kreative Lösungen entwickelt werden.

 

Systemische Fragetechniken, wie z. B. zirkuläre Fragen, lösungsorientierte Fragen, Gedanken­lesende Fragen, Wunderfragen, Fragen nach Ausnahmen, Skalierungs- und Prozentfragen, Handlungsfragen, Hypothetische Fragen, Diachronische Fragen, Fragen zum Therapierahmen, zur Therapiemotivation, zur Möglichkeitskonstruktion, Fragen zu Verhaltensalternativen bzw. nach bekannten Vergleichen, nach problematischen Verhaltensweisen und deren Ausnahmen, zum Raum und zum zeitlichen Kontext des Problems.

 

Das zirkuläre Fragen ist eine spezielle Fragetechnik, die dazu dient, zirkuläre Prozesse in Beziehungssystemen aufzudecken und starre

Kommunikations-Interaktionsmuster, die Konflikte innerhalb des Systems verursachen, durch eine gezielte Einnahme von unterschiedlichen Beobachterpositionen und Perspektivwechseln zu verflüssigen. Es wird die kommunikative Bedeutung einer Aussage zu erfasst und nicht die persönliche Befindlichkeit.

 

Die Methode des Reflecting Team ist ein von Tom Andersen (1990) entwickeltes Reflexionsgespräch. Dabei geht es um eine angeleitete Reflexion durch mehrere zusätzlich anwesende Personen (auch Therapeuten), die gleichzeitig mit einem Gespräch stattfindet. Das Besondere dabei ist, dass die zusätzlich anwesenden Therapeuten im Beisein der Klienten über diese reflektieren.

 

Durch die Paradoxe Intervention kann eine festgefahrene Sichtweise erschüttert werden, um so eine Problemlösung möglich zu machen. Methoden sind z. B.: Symptomverschreibung, Reframing (positive Umdeutung des Symptoms), Rückfallvorhersage und Utilisation (Nutzbarmachung) eines Symptoms.

 

Der Begriff Refraiming/Umdeutung ist von Virginia Satir eingeführt worden und meint, dass einer Situation oder einem Geschehen eine andere Bedeutung oder ein anderer Sinn zugewiesen wird. Das geschieht dadurch, dass man versucht, die Situation in einem anderen Kontext (oder „Rahmen") zu sehen.

 

Mit Geschichten, Metaphern und Humor kann eine Entfernung zu ernsten Themen
hergestellt werden, so dass die Situation aus einer nicht persönlich bezogenen
Distanz heraus wahrgenommen werden kann. Andere Sichtweisen und Lösungen werden greifbarer und erfahrbarer. Es ist mit dem „Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen" gut zu umschreiben.

 

Der Metamirror (Meta-Spiegel) kann dann zum Einsatz kommen, wenn eine Person A mit einer Person B Kommunikationsschwierigkeiten hat, z.B. in der Familie. Der Coach bittet Person A, verschiedene Wahrnehmungspositionen einzunehmen, insbesondere auch die Position von Person B, um das Kommunikationsproblem aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten zu können. Diese Technik ist zur Selbstreflexion der eigenen Kommunikation geeignet.

 

Die Methode der Timeline (dt. Zeitlinie nach Robert Dilts) hilft, Ziele zu erreichen und Blockaden und hindernde Verhaltensmuster aus der Vergangenheit aufzulösen. Grundlage der Timeline ist die Annahme, dass es für jedes Problem eine erste Ursache gibt. Mithilfe der Timeline wird das Unbewusste instruiert, ein (negatives) Erlebnis der Vergangenheit neu zu erleben und neu zu bewerten.

 

Das menschliche Persönlichkeitssystem besteht aus vielen Teilen, zum Beispiel aus Körper, Seele und Geist. Bei der Teilearbeit geht es darum, die Teile bewusst zu machen, die in Spannung mit anderen, bewussten Teilen stehen, damit der Mensch ein Verständnis für den widerstreitenden Teil entwickelt und einen Weg findet, der ihn zufriedenstellt.

 

 

Das Wendezeit-Modell 

 

"Wendezeit" ist unseres Wissens die erste und einzige Systemtherapeutische Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, die unter Einbezug der Methode „Walking-in-your-shoes" (nach Joseph Culp & John Cogswell) lösungsorientiert arbeitet.

 

Durch die Kombination der drei Methoden:

1. Walking-in-your-shoes (Wiys),

2. Skulpturarbeit (nach Virginia Satir) und

3. Struktur- und Familienaufstellugnen (nach Bert Hellinger)

 

ergibt sich nicht nur unsere Arbeitsweise, sondern auch unser grundsätzliches Selbstverständnis - das sogenannte "Wendezeit-Modell" nach A. Hamacher-Scholle (März 2012).

 

Walking-in-your-shoes ist ein sanfter Einstieg in das Erleben eines transformativ wirkenden Prozesses und wird von uns bei Bedarf auch in Kombination mit Struktur- und Familienaufstellungen und Skulpturarbeit angewandt.

Diese Methode ist sofort einsetzbar und die Informationen zu dem gewählten Thema bringen im Hier und Jetzt Licht ins Dunkel, indem sich uns eine Erkenntnis offenbart.

Nicht nur Mitmenschen und Tiere können gewalkt werden, sondern sämtliche Themen, die uns beschäftigen. Für das Walken ist jeder geeignet und es wird alleine, zu zweit, als Mehrfachwalk, Experimentalwalk oder innerhalb einer Gruppe genutzt.

Walking-in-your-shoes bedeutet wörtlich: In deinen Schuhen gehen. Es meint genau das, was die Übersetzung schon nahelegt, nämlich in den Schuhen eines anderen zu gehen mit all seinen Sinnen, Befindlichkeiten, Sehnsüchten, Verletzungen und Erfahrungen. Bei dieser Methode wählt der Leiter des Walks eine Person aus, die eine andere Person oder ein bestimmtes Thema „geht". Diese Person macht sich innerlich ganz von sich leer und stellt sich in den Dienst des „großen Ganzen", ohne eigene Absicht. In dem Moment ist die Person nicht mehr sie selbst, sondern ist jetzt bereit für das kommende „wissende Energiefeld". Dieses Energiefeld wird durch die körperliche Bewegung im Raum erfühlt und kann durch den Leiter über den Walkenden befragt werden. Während der Zeit des Walkens befinden wir uns auf einer tieferen seelischen Ebene. Auf dieser Ebene kann der Walker momentane Emotionen, Stimmungen und Verhaltensaspekte ausdrücken. Sichtbar werden also Ausschnitte der Wirklichkeit, die vorher im Verborgenen wirkten und im Hier und Jetzt für uns nicht zugänglich waren. Diese sichtbar gewordenen Teile lassen sich nach und nach zusammenfügen, sodass

im Laufe der Zeit ein immer klareres Bild der noch wirkenden Verstrickungen entsteht. Somit lernt man, Personen, deren Verhalten und jegliche Art von Lebenssituationen besser zu verstehen.

Sobald sich die Verstrickung zeigen durfte, tritt auf der tieferen Seelenebene eine Entlastung und Entspannung ein, was sich auch im Hier und Jetzt bei dem, der gewalkt wurde, bemerkbar macht und sichtbar wird. Nicht nur bei dem Betroffenen selbst, sondern auch in dessen System wird eine positive Veränderung spürbar.

Dieses macht sich auch in der Arbeit mit dem Kind bemerkbar, je mehr Verstrickungen gelöst werden, desto zugänglicher wird das Kind. Somit verhilft der Walk allen beteiligten Systemen zu einer spürbaren Entlastung.

 

Erklärendes Fallbeispiel aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe

In die Erziehungsstelle hinein, in die das aufgenommene Kind kommt, wirkt

nicht nur das Ursprungssystem, sondern auch alle anderen Stationen, die das Kind in seinem Leben durchlaufen hat. Der junge Mensch bleibt in der Regel seinem Ursprungssystem aus „blinder Liebe" treu, indem er Verhaltensweisen seiner Familie übernimmt und diese auch weiter lebt. Dadurch hält er sowohl die positiven als auch die negativen Traditionen aus seinem System aufrecht.

Wenn ein Kind z. B. selbstschädigendes Verhalten ohne erklärbaren Hintergrund zeigt, können wir mit Hilfe der Wiys-Methode einen Einblick bekommen, wie die Verstrickung des Kindes mit seinem System seine schädliche Wirkung zeigt.

Das sich ergebende Bild schafft für uns mehr Klarheit und die nötige innere und äußere Distanz, um gezielt und lösungsorientiert intervenieren zu können.

 

Fazit

Die professionell durchgeführten Walks führen zur persönlichen Befreiung und Entlastung, denn die Fesseln der einschränkenden Selbstkonzepte werden gelockert oder auch gesprengt. Die individuelle Lebenslösung rückt in diesem Prozess immer näher. In dem Moment, wo diese Erkenntnis bewusst erlebt wird, tritt eine gefühlte Wende ein. Da nun das Handeln von immer mehr Selbstbestimmung geprägt wird, ist endlich der Platz geschaffen für eine erfolgreiche neue Zeit mit mehr Lebensqualität, die "Wendezeit".